
Hundehaltung trotz Rheuma
Hund und Rheuma – Ist das überhaupt vereinbar?
Als Reva bei uns einzog, war ich noch weit entfernt, von meiner Rheuma-Diagnose und irgendwelchen langen Schüben, die mir das Leben schwer machen wollen und somit habe ich mir vorher auch nie die Frage stellen müssen, ob ich das schaffen würde. Ich glaube, hätte ich damals schon gewusst, was bald auf mich zukommen würde, hätte ich es nicht gemacht und den Traum vom Leben mit eigenem Hund chancenlos begraben.
Ich kenne mittlerweile viele Menschen, die an einer schweren chronischen Krankheit leiden, und die sich aus diesem Grunde bewusst gegen die Hundehaltung entschieden haben, eben weil sie sich sehr sicher sind, dass es einfach nicht vereinbar ist. Aber ist das wirklich so, oder versuchen wir uns durch diese Gedanken nicht eher hinter der Krankheit zu verstecken und ausreden zu finden, warum wir uns, während eines akuten Krankheitsschubes, gehen lassen?
Was soll ich machen, wenn ich einen Hund habe, aber wochenlang im Krankenhaus sein muss oder zur Kur fahren soll? Was passiert mit dem Hund, wenn ich mich vor Schmerzen nicht bewegen kann und wie soll ich denn so nur lange Spaziergänge machen können? Ist das wirklich die Realität oder sind das alles nur Ausreden, damit man sich nicht der Verantwortung stellt und mit dem unangenehmen Thema, der eigenen Krankheit, nicht auseinanderzusetzen braucht und so vielleicht neue Möglichkeiten finden könnte, denn so etwas kann auch große Angst machen.

Hundehaltung bedeutet Verantwortung
Mein erster Rheumaschub kam, da war Reva gerade drei Wochen bei uns und es kam so plötzlich und unerwartet, damals wusste man ja noch nicht einmal, dass es sich hierbei um Rheuma handelt. Ich war fast sechs Wochen lang, mehr oder weniger ans Bett gefesselt und kaum in der Lage, mich zu bewegen, geschweige denn mit einem Welpen ständig raus zu gehen. Aber was sollte ich tun? Reva musste ja so schnell wie möglich stubenrein werden und so ein Welpe will ja auch die Welt erkunden.
Ich war schon immer ein Mensch, der sich von nix und niemanden ausbremsen lässt und gegen alle Störungen angeht, da war ich schon immer ziemlich stur und dickköpfig und wollte meinen Weg weiter gehen. Und so war es auch diesmal, denn obwohl ich mich vor Schmerzen kaum bewegen konnte, so ging ich alle zwei Stunden mit Reva vor die Tür, denn da sie leider krank war, musste sie damals sehr sehr häufig ihre Geschäfte verrichten. Irgendwie ist das unvergessen für mich, wie ich mit Baby-Reva auf dem Arm und im Jogginganzug meines Mannes im Schneckentempo die drei Stockwerke unseres Wohnhauses herunter “geschlichen” bin. Hoch war das ganze deutlich schlimmer, denn irgendwie wollten die Beine nicht so wie sie sollten und ich musste Stufe für Stufe nehmen. Ich war damals wirklich froh, dass Reva so klein und leicht war. Mittlerweile sieht das mit ihren 14 Kilo etwas anders aus.
Immer wenn sie damals anzeigte, bin ich sofort aufgestanden, habe meine Turnschuhe angezogen und bin mit ihr runter. Auch wenn ich mir damals nichts mehr gewünscht hätte, als liegen bleiben zu können, so war es zeitgleich auch eine große Motivation, denn immerhin war ich frisch gebackene Hundemama und die Bedürfnisse des Hundekindes müssen ja nunmal wirklich befriedigt werden. Da Reva ja mehr brauchte als nur ihre Gassirunden, habe ich dafür gesorgt, dass sie einmal die Woche zu einer Freundin konnte, die selber einen Hund hatte. Ihre Wohnung lag auf dem Weg zu meinem damaligen Arzt und so konnte ich Reva dort abgeben und direkt weiter zum Arzt wackeln. So brauchte Reva während meiner Arzttermine nicht alleine bleiben, denn das wäre damals auf keinen Fall möglich gewesen, so ganz ohne “Allein-Bleiben-Training” und hatte auch viel Zeit mit ihrem Hundekumpel verbringen können.

Als mir der Arzt damals, zum ersten Mal, etwas vom möglichen Rheuma erzählte, war ich geschockt und dachte, dass ich nun Reva abgeben müsste, da ich mir das irgendwie nicht vorstellen konnte, einem Hütehund mit Rheuma gerecht werden zu können. Aber das lag auch viel daran, dass ich damals einfach keine Ahnung vom Rheuma hatte und mich mit dem Krankheitsbild noch nie auseinander gesetzt hatte. Zudem machte es mir unendlich große Angst und ich hasse den Gedanken mit etwas hau scheitern und so war mir halt schnell klar, einen Hund kann ich mit Rheuma nicht halten, schon gar keinen Welpen.
Ich fiel in ein tiefes schwarzes Loch voller Traurigkeit und konnte mich zu nichts aufraffen, denn der Gedanke meinen Welpen abgeben zu müssen hat mich einfach nur fertig gemacht. Letztendlich habe ich es meinen Mann zu verdanken, dass er mich aus diesem loch geholt hat und wir gemeinsam nach Lösungen gesucht haben. Wir stellten Pläne auf, was wir machen würden, wenn ich z.B. länger weg sein müsste oder was wir wir bei längeren Schmerzschüben machen würden. Das half mir sehr schnell wieder positiv nach vorne zu blicken und aus meinem Tief zu kommen.
Diese sechs Wochen waren damals die erste harte Begegnung mit dem Rheuma und es war danach auch erst einmal fast ein Jahr lang Pause und es kamen in dieser Zeit dann auch keine Schmerzen mehr, weswegen meine Ärzte den Gedanken an Rheuma wieder verwarfen und nicht weiter verfolgten. Reva wuchs in diesem Jahr ganz normal bei uns auf und wir verwarfen unsere gemachten Notfallpläne entsprechend wieder.

Hunde können sich super anpassen
Dann ging es irgendwann wieder los und diesmal machte sich das Rheuma im Auge bemerkbar und ich lief wochenlang fast blind durch die Gegend. Reva war damals die erste, die mein Handicap bemerkte, und draußen unruhiger wurde, da sie wohl das Gefühl hatte, dass ich ihr weniger Schutz geben kann. Als ich das Problem mit meinen Augen bemerkte, begann ich schnell nach einer Lösung für unsere Gassirunden zu suchen, denn mein Arzt fand den Grund dafür nicht heraus und meine Sehstörungen wurden immer schlimmer. Am Ende lief ich mit nur noch 10% Sehkraft umher, trotzdem schaffte ich es aber, Reva zu zeigen, dass sie sich in jeder Situation auf mich verlassen kann und ich mich von nichts ablenken lasse.
Wir begannen unsere Runden zu Zeiten zu drehen, wo weniger andere Hundehalter unterwegs waren, trafen uns mit anderen Hunden auf eingezäunten Flächen, da ich die Entfernung nicht mehr so gut einschätzen konnte und wenn ich andere Hunde auf uns zukommen sah, wechselte ich sofort die Straßenseite, denn ich konnte irgendwann keine Hunde mehr lesen, auf Entfernung, es war einfach zu schwierig geworden mit dem kranken Auge.
Außerdem wurden die Schmerzschübe immer häufiger und Reva fing plötzlich an, sich darauf einzustellen, begann sogar damit Schübe erschnüffeln zu können und zeigte sie mir rechtzeitig vorher an, ich glaube Reva ist damals in mein Rheuma “reingewachsen”. Sie hat mir aber damit gut gezeigt, dass unsere Hunde wirklich sehr anpassungsfähig sind und auch gut damit klar kommen, wenn es mal etwas ruhiger zugeht. Ich habe in der Zeit auch gelernt, wie wichtig Ruhe und geistige Auslastung für Hunde ist, denn wir haben so viel gemeinsam geschlafen und statt langen Spaziergängen haben wir zuhause so viele schöne Stunden mit neuen Tricks oder Suchspielen verbracht. Auch heute ist das, bei einem starken Schub, unsere Hauptbeschäftigung, denn so kann ich mich trotzdem mit Reva beschäftigen und sie fühlt sich nicht allein gelassen und ist gut ausgelastet.

Keine Angst vor neuen Dingen oder Veränderungen
Ich weiß selber ganz genau, wie leicht es ist, sich in sein Schneckenhaus zurückzuziehen und im Selbstmitleid zu versinken, aber damit ist niemanden geholfen und schon gar nicht einem selbst, denn so gewinnt die Krankheit nur an Macht und Stärke und das ist das letzte was ich will, denn ich möchte mit aller Macht die ich habe, gegen das Rheuma angehen und ihm den Mittelfinger zeigen.
Die Entscheidung einen Hund trotz Rheuma oder einer anderen schweren Erkrankung aufzunehmen, kann ein guter Schritt sein, Wiede positiv nach vorne zu blicken und gegen die Krankheit anzukämpfen. Die Motivation die ein Hund einem gibt, ist unglaublich hoch und macht so vieles möglich, ich habe es ja selber erlebt. Natürlich bleiben die Schmerzen, aber man soll sich gerade bei einem Schub etwas bewegen, damit man nicht an Mobilität verliert, aber ohne Hund hätte ich das nie getan und wäre im Bett geblieben. So hatte ich immer meine notwendige Bewegung und blieb mobil und mir bringt ein Spaziergang, ganz egal wie langsam ich unterwegs bin, viel mehr als eine Sporteinheit mit Physioübungen.
Natürlich sollte man sich nur einen Hund holen der wirklich zu der Situation passt, es muss ja nicht immer unbedingt der kleine Welpe sein, der alle paar Stunden raus muss, es gibt ja so viele ältere Hunde, die sich über ein neues liebesvolles zuhause freuen. Und gerade ein älterer Hund hat so eine tolle Ausstrahlung und ist froh über einen entspannten langsamen Spaziergang draußen. Ich glaube, wenn man wirklich davon träumt einen Hund zu halten, dann wird man es auch schaffen. Man sollte sich vorher aber unbedingt überlegen, wer im Notfall einspringt und entsprechend vorbereitet an die Sache herangeht.
Aber gerade ein Hund kann einem bei einer Erkrankung so viel geben und unterstützend zur Seite stehen, man muss sich ja nur einmal die ganzen Assistenzhunde ansehen, die wirklich tolle und unterstützende Arbeit leisten. Ich glaube, wenn man offen ist für Veränderungen im vielleicht schon festgefahrenen “Krankheitsleben” und auch bereit ist, nach Lösungen zu mehr Flexibilität zu suchen, dann ist das viel Wert und die beste Voraussetzung, damit eine Hundehaltung trotz schwerer Krankheit funktionieren kann. Aber gerade wenn man schon länger in seiner Krankheit steckt und vielleicht auch in Depressionen versunken ist, dann kann dieser mögliche neue Lebensabschnitt Angst machen und ich kann das schon verstehen, wenn man sich deswegen dagegen entscheidet, aber diese Ängste sind wirklich unbegründet.

Unsere Hunde merken wirklich so schnell, wenn wir etwas haben und passen sich so toll uns an, es ist immer wieder erstaunlich, zu was unsere Hunde fähig sind und wie wenig wir ihnen eigentlich zutrauen. Darum kann ich nur sagen, wenn ihr euch wirklich vom ganzen Herzen einen Hund in eurem Leben wünscht und ihr das finanzielle auch geregelt bekommt, dann ist das alles weniger schlimm, als man vielleicht denkt, denn auch mit Krankheit wird man Wege finden. Immer mehr Rehakliniken bieten mittlerweile an, dass man seinen Hund gegen einen Aufpreis, denn man natürlich selber zahlen muss, mitbringen kann, das ermöglicht sehr viel und zeigt, dass auch Hunde in einem Leben mit Krankheit völlig selbstverständlich sein können und eine Krankheit definitiv kein Hinderungsgrund ist.
Für mich hat sich in den letzten vier Jahren mit Reva gezeigt, dass Hund und Rheuma auf jeden Fall machbar sind und ich bin dankbar, dass Reva so ein toller Assistenzhund für mich geworden ist, auch wenn sie dazu keine Ausbildung bekommen hat, aber trotzdem hilft sie mir bei so vielen Dingen, wie z.B. im Haushalt oder wir gehen bei einem Schub die Treppen gemeinsam hoch etc. Ohne Reva wäre meine Krankheit etwas ganz schlimmes für mich und ich hätte keinen Lebenswillen mehr oder würde mich ständig selbst bemitleiden aber so gehe ich auch in Schüben positiv nach vorne und kämpfe was das Zeug hält, damit Reva und ich wieder lange Spaziergänge im Park machen können.

